Der Gesetzentwurf zu Chatkontrollen bedroht die Grundrechte von EU-Bürgerinnen und Bürgern

                                                                                                                                                                                        17.05.2022

Die EU-Kommission hat am 11. Mai einen Vorschlag für eine Verordnung zur Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Kindern vorgestellt. Was sich zunächst nach einem sinnvollen Vorhaben anhört, stellt einen massiven Eingriff in die Grundrechte von EU-Bürgerinnen und Bürgern dar. Der Gesetzentwurf sieht die anlasslose Massenüberwachung von Mail- und Messenger-Kommunikation vor, untergräbt den Einsatz von effektiven Verschlüsselungstechnologien und schafft so das in Deutschland grundrechtlich verbriefte Fernmeldegeheimnis ab. Ich begrüße ausdrücklich das heute veröffentlichte Statement von Digitalminister Dr. Volker Wissing, in dem er den geplanten Eingriffen in den geschützten Raum der Vertraulichkeit der Kommunikation eine klare Absage erteilt.  

Die sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige online ist zweifelsohne ein Tatbestand, dem der Rechtsstaat mit aller Härte entgegentreten muss. Das gezielte Ansprechen von Minderjährigen im Internet mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakte („Grooming“), sowie das Teilen kinderpornographischer  Inhalte muss entschlossen bekämpft werden. Gleichzeitig darf unser gemeinsamer Kampf gegen Kinderpornographie und Grooming nicht dazu führen, dass die Privatsphäre aller EU-Bürgerinnen und Bürger zerstört wird. 

Laut dem Gesetzentwurf der EU-Kommission sollen Onlinedienste wie Facebook Messenger, Whatsapp und Signal nach Erlass einer „Detection Order“ dazu verpflichtet werden, technische Systeme in ihre Messenger zu implementieren, die die Kommunikation ihrer Nutzerinnen und Nutzer automatisch auf Fotos und Videos von Kindemissbrauch scannen. Darüber hinaus sollen Chatnachrichten daraufhin untersucht werden, ob sie Hinweise auf Grooming enthalten.  Verdachtsfälle sollen dann an die Behörden gemeldet werden. Wie genau die Onlinediensteanbieter die Kommunikation ihrer Nutzerinnen und Nutzer überprüfen sollen, wird von der Kommission nicht beschrieben. Die Kommission gibt lediglich die Mindestanforderungen an die verwendete Software bekannt und verkündet, dass die Unternehmen auch auf eigens von der EU programmierte Software zurückgreifen können. Die von der Kommission geforderte Überprüfung auf sexualisierte Gewalt gegen Kinder lässt sich nach aktuellem Stand technisch nur umsetzen, wenn jede versendete Nachricht, jedes Foto oder Video automatisch auf sexualisierte Gewalt gegen Kinder überprüft wird. Wird von dem Messenger dabei Ende-zu-Ende-Verschlüsselung genutzt, muss bereits vor dem Versand der Nachricht der Inhalt gescannt werden – das sogenannte „Client-side-Scanning“ kommt hier zum Tragen. 

Würde man das oben beschriebene Vorgehen in die analoge Welt übersetzen, kämen die EU-Pläne dem verdachts- und anlassunabhängigen Öffnen und Lesen von jedem Brief und Paket gleich. Darüber hinaus verlören Nutzerinnen und Nutzer insbesondere beim „Client-side-Scanning“ völlig die Kontrolle darüber, welche Daten sie teilen und welche nicht. Abgesehen davon, dass solche Systeme zu unzähligen Falschmeldungen („False Positives“) führen würden, würde die Verordnung neben dem im Grundgesetz festgeschriebenen Fernmeldegeheimnis auch das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme verletzen.

Ich freue mich, dass Digitalminister Dr. Volker Wissing die Pläne der Kommission ablehnt. In einem heute veröffentlichten Statement betont Dr. Wissing die Wichtigkeit eines vertrauensvollen Austauschs von Daten im digitalen Raum und verweist auf das im Koalitionsvertrag versprochene Recht auf Verschlüsselung. Richtig ist, dass ein Recht auf Verschlüsselung nicht durch die Überprüfung von privaten Inhalten auf den Geräten der Nutzerinnen und Nutzer untergraben werden darf.

Ich werde mich vehement dafür einsetzen, dass die gefährlichen Pläne der Kommission so nicht umgesetzt werden. Statt völligem Kontrollverlust über die private Kommunikation sollen Bürgerinnen und Bürger auf verschlüsselte Kommunikation vertrauen können. Gleichzeitig müssen ausreichende Kapazitäten bei Polizeibehörden geschaffen werden, um zielgereichtet auf sexualisierte Gewalt gegen Kinder zu reagieren. Klare Kante für Bürgerrechte und gegen Chatkontrollen.